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15. Bezirk, Rudolfsheim-Fünfhaus

Der 15. Bezirk zählt zu den kleinen Bezirken der Stadt. Der Name Rudolfsheim ist dem Kronprinz Rudolf gewidmet, Fünfhaus geht auf fünf Winzerhäuser zurück, die um 1700 im Bereich der heutigen Clementinengasse entstanden. Heute merkt man wenig von einer vergangenen Winzer- und Heurigentradition. Lediglich das Schutzhaus Zukunft, populäres Zentrum mitten im Kleingartengebiet des 15. Bezirks, erinnert noch ländliches Leben und an urige Heurigengärten. Geprägt und durchschnitten ist der 15. Bezirk durch die Westbahn, die auch zur Industrialisierung des Bezirks beitrug sowie zur Ansiedlung von Hotels und Einkehrgasthöfen.  Ab 1857 als Kaiserin-Elisabeth-Bahnhof erbaut, ist der Westbahnhof mittlerweile zur „Bahnhofs-City“ mutiert, Shopping Mall inkludiert. Der 15. Bezirk ist ein zentraler, urbaner Bezirk und im Moment „im Kommen“ hat man den Eindruck. Vielleicht auch deshalb, weil die Wohnungspreise im Vergleich zum bereits „hippen“ Nachbarbezirk Ottakring noch um vieles leistbarer sind.

Zur Geschichte im Detail:
Der Vorort Rudolfsheim entstand am 4. Dezember 1863 durch die Vereinigung der bis dahin selbstständigen Ortsgemeinden Braunhirschengrund, Reindorf und Rustendorf. Zu Ehren des damals fünf Jahre alten Kronprinzen Rudolf wählte man den Namen Rudolfsheim. Am 1. Jänner 1892 wurden die beiden Vororte Rudolfsheim und Sechshaus zum 14. Bezirk Rudolfsheim zusammengefasst, der Vorort Fünfhaus wurde zum 15. Wiener Gemeindebezirk erhoben. Am 15. Oktober 1938 wurden diese beiden Bezirke zum neuen 15. Wiener Gemeindebezirk vereinigt. Dieser Bezirk wurde am 15. Februar 1957 in „Rudolfsheim-Fünfhaus“ umbenannt.

Frühjahrsparade auf der Schmelz

Das Areal des Bezirks reicht von der Schmelz bis hinunter an den Wienfluss, und noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts war dieses Gebiet fast vollkommen unbesiedelt. Erst im 18. und 19. Jahrhundert kam es zu einer intensiven Bebauung, vor allem entlang der Mariahilfer Straße, an der sich Einkehrgasthöfe und kleine Gewerbebetriebe installierten, die als Zulieferbetriebe für die Industrie innerhalb der Linie arbeiteten. Im Vorort Rudolfsheim entstand nach 1869 durch Parzellierung zwischen Westbahn und Hütteldorfer Straße der neue Ortsteil "Neu-Rudolfsheim". Die Schmelz war eine viele Jahrhunderte lang unverbaute Wiesenfläche, teils auch Ackerland. 1847 kaufte das Ärar einen Teil des Areals auf und gründete hier einen Exerzierplatz, auf dem u. a. die berühmten Frühjahrsparaden abgehalten wurden. Der südliche und östliche Teil der Schmelz wurde 1910 parzelliert und verbaut ("Neu-Fünfhaus", "Nibelungenviertel"). Den Rest des Gebietes nimmt heute die 1953-1958 von Roland Rainer erbaute Stadthalle, das Universitätssportzentrum und eine Kleingartenanlage ein.

"Schwenders Vergnügungsetablissement"

Reindorf, eine selbstständige Vorortgemeinde, zwischen den Ortschaften Sechshaus, Braunhirschengrund und Fünfhaus angesiedelt, wird bereits 1344 in den Quellen erwähnt ("in der Rhein"). Seit 1411 findet sich der Name Reindorf für die Siedlung, die nach der Zweiten Türkenbelagerung zugrunde ging. Erst im 18. Jahrhundert blühte sie neu auf. 1801 wurde die Gemeinde durch Veränderungen der Grenzen stark verkleinert. Eine Reihe von Gründen und Häusern gelangte an Franz Freiherrn von Mayer, der damals die Herrschaft Penzing besaß, und auch die Nachbargemeinde Sechshaus erhielt einige Häuser. 1696 errichtete Josef Christoph von Plankenau im Ortsgebiet von Reindorf einen Herrschaftssitz, in dessen Nachbarschaft ein Gasthaus "Zum braunen Hirschen" entstand. Mit der Zeit entwickelte sich daraus die Ortsbezeichnung Braunhirschengrund. Der Grund wurde 1799 parzelliert und verbaut. So entstand die Gemeinde Braunhirschen, die 1801 von Reindorf getrennt wurde.
Das Sommerpalais der Erzherzogin Marie Christine, einer Tochter Maria Theresias, auf dem Braunhirschengrund wurde nach ihrem Tod von dem Bankier Nathan Arnstein erworben, dem Teilhaber des Großbankhauses Arnstein & Eskeles, das dreißig Jahre lang das Finanzwesen Österreichs mitbestimmte. Nathans brillante Gattin Fanny führte einen literarischen Salon, in dem sich Größen von Kunst, Literatur und Finanz zu gesellschaftlichen Soireen trafen. 1849 errichtete der Direktor des Theaters an der Wien, Franz Pokorny, im Garten dieses Palais das Braunhirschentheater. 1861 wurde das Theater aufgelassen, und das Etablissement Schwender erwarb die Liegenschaft. Die übrigen Arnstein´schen Besitzungen gingen 1868 in den Besitz der Gemeinde Rudolfsheim über, die sie parzellieren und verbauen ließ. "Schwenders Vergnügungsetablissement" war einer der berühmtesten Treffpunkte der Wiener im 19. Jahrhundert. Der umfangreiche Gebäudekomplex an der Mariahilfer Straße, beim heutigen Schwendermarkt, wurde 1898 demoliert. Eine Reihe von Zinshäusern trat an seine Stelle.

Die Gemeinde der Einkehrgasthöfe

Die Ortsgemeinde Rustendorf, nach 1700 erstmals genannt, und zwar als "Rustendörfel", bestand um 1771 erst aus fünf Häusern. Sie lag am Ende der heutigen Mariahilfer Straße gegenüber dem Braunhirschenmarkt, dem heutigen Schwendermarkt. Rustendorf war Eigentum der Freiherren von Mayer, die den Ort mit der Herrschaft Penzing 1843 dem Schottenstift verkauften. Trotz der geringen Anzahl an Häusern war die Siedlung recht wohlhabend, weil sich hier viele Einkehrgasthöfe befanden, darunter der "Reichsapfel", der "Schwarze Adler" und die "Goldene Sonne". Sie entstanden alle in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts stieg die Bautätigkeit auf dem freien Gelände zwischen Rustendorf und Braunhirschengrund besonders stark an, und die beiden Siedlungen wuchsen zusammen.

Fünf Winzerhäuser sind namensgebend

Die Ortsgemeinde Fünfhaus, außerhalb des Linienwalls links und rechts der heutigen Mariahilfer Straße gelegen und bis zur Sechshauser Straße reichend, entstand um 1710 im Bereich der heutigen Clementinengasse, wo in der Ried "In den hangenden Lüssen", die dem Barnabitenkolleg der Michaelerkirche gehörte, fünf Winzerhäuser errichtet wurden. Sie gaben der späteren Gemeinde Fünfhaus ihren Namen. Die "hangenden Lüssen" waren langgestreckte Streifen von Weingärten, die von der Schmelz herab bis zum Wienfluss führten. Bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nahm Fünfhaus einen raschen Aufschwung. 1795 zählte der Ort bereits 55, 1858 wies er schon 238 Häuser auf. Dementsprechend dehnte sich das Siedlungsgebiet auch nördlich der heutigen Mariahilfer Straße aus, die ursprünglich die Gemeindegrenze gebildet hatte. Im Vormärz kam es zu einer ersten Industrialisierungswelle. Nach dem Bau der Westbahn entstand nördlich der Bahntrasse der Ortsteil Neu-Fünfhaus. der sich durch seine klare Rastergliederung deutlich vom alten Ortskern abhebt. 1849 wurde Fünfhaus zu einer selbstständigen Gemeinde erhoben und zählte bald zu den angesehensten Vororten Wiens. Der Bau der Kaiserin-Elisabeth-Westbahn, wie sie ursprünglich hieß, brachte einen weiteren Aufschwung. So entstanden eine Reihe von Hotels für ankommende Bahnreisende, vor allem auch in dem Ortsteil jenseits des Linienwalls, der 1905 an den 7. Bezirk abgetreten wurde (zwischen Mariahilfer Straße und Burggasse bzw. Wimbergergasse und Kenyongasse).

Das Dorf der „sechs Häuser“

Im 18. Jahrhundert entstand südlich der heutigen Sechshauser Straße ein winziges Zeilendorf, das vorerst aus sechs Häusern bestand, von denen das erste direkt am Liniengraben der Gumpendorfer Linie lag. Obwohl die 1801 durch Eingliederung eines Teiles von Reindorf vergrößerte Gemeinde 1830 bereits 134 Häuser zählte, blieb ihr der Name Sechshaus erhalten. Die Siedlung erlitt jedoch immer wieder verheerende Rückschläge, so durch die zweimalige französische Belagerung 1805 und 1809 und durch die Choleraepidemie von 1832 und die Typhuswelle 1845. Dennoch entwickelte sich die kleine Gemeinde verhältnismäßig gut zu einem gewerblichen und frühindustriellen Gemeinwesen.

Rudolfheim-Fünfhaus heute
Der heutige 15. Bezirk wird begrenzt durch die Straßenführungen Winckelmannstraße, Linzer Straße, Fenzlgasse, Beckmannstraße, Hütteldorfer Straße, die Schmelz, die Gablenzgasse, den Neubaugürtel, den Mariahilfer Gürtel und die Linke Wienzeile. Er wird durchschnitten durch die Trassenführung der Westbahn, die allerdings durch zwei Brücken, die Schmelzbrücke und den Rustensteg, überbrückt wird. Einige Areale des Bezirks sind potentielle Sanierungsgebiete. Der Bezirk ist im Großen und Ganzen überaus verkehrsreich und arm an Grünflächen.
 

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Essay

Die Schmelz und ihr Schutzhaus

Wem gehört das Grün?

Wenn ich Freundinnen und Freunden gegenüber, die von auswärts kommen, zuvorkommend genug bin, um ihre garantiert vorhandenen Wien-Klischees zu legitimieren und endgültig zu bestätigen, führe ich sie gerne ins Schutzhaus Zukunft, das sich im Zentrum der Kleingartenanlage Schmelz befindet. Übrigens bin ich bei weitem nicht der einzige, der auf diese Urwiener Gastronomie- und Unterhaltungsinstitution abfährt und ihren Triumph (wie ich ihn wahrnehme) über moderne Äquivalente zelebriert. Das Schutzhaus hat viele gastronomische Antipoden, und es sticht sie alle aus (wie ich es wahrnehme); es ist die Negation des Schweizerhauses plus die Negation der Hermann-Bar am Donaukanal plus die Negation der Copa Cagrana etc. Man braucht nur durch die diversen Beisltest-Seiten im Web zu surfen, um eine Ahnung zu kriegen, welchen Stellenwert das Schutzhaus für uns «GlobalisierungsgegnerInnen» hat, die – leider muss man das immer noch dazusagen –  nicht GegnerInnen eines weltweiten virtuellen und praktischen Austausches von Menschen, sondern Feinde einer Globalisierung «von oben» sind.


Viele Kommentare gehen auf die großen Essensportionen ein, zum Beispiel so: «Der Biergarten ist eine Wucht – mir fällt fast kein schönerer in Wien ein. Das Service und Ambiente ist ‚as urig as it gets’, die Kellner haben einen Schmäh und die Gäste scheinen zu 80% aus Wienern zu bestehen. Die anderen Berichte haben es schon angesprochen: Das Essen ist sehr, sehr, sehr deftig. Ich hatte das Rindsgulasch mit Knödel und muss sagen, ich habe fast nicht geschafft es aufzuessen und es ist mir noch stundenlang im Magen gelegen. Geliefert wurde das Ganze außerdem in etwa zwei Minuten nach der Bestellung (kein Scherz), das ist taktisch etwas unklug, denn damit hat man nicht einmal mehr die Illusion, dass es nicht in der Mikrowelle aufgewärmt wurde. Die Bierauswahl ist dafür super.» Einem fällt die Dominanz der Brösel-Ei-Mehlkruste auf: «Hauptspeisen sind eher deftig und gerne gebacken: vom regulären Schnitzel über Fisch bis zur Leber kommt alles in Panier», was offensichtlich nicht ganz den Geschmack des Posters findet.


Für manche natürlich zählt die fleischorientierte Deftigkeit zu den Entbehrlichkeiten der traditionellen Wiener Küche: «Die Getränke- und Speisekarte deckt eher deftige Wiener Hausmannskost ab. Allen voran Blunzngröstl oder Augsburger, mit Pommes Frittes oder Gurkensalat. Beuschl mit Knödel oder Hirn mit Ei. Kurz, alle Grauslichkeiten einer typisch Wienerischen Kulinarik werden serviert, für Fans derselben so etwas wie Delikatessen. Nach Saison Eierschwammerl- oder Kürbisgerichte. Im Hochsommer kann es schon mal passieren, dass die Griesnockerlsuppe sauer ist. Die Griesnockerl an sich jedoch sind nahezu perfekt, nicht zu weich und nicht zu hart. Für mich zählen eher härtere Griesnockerl, also bestelle ich lieber Salat mit dunklem Kürbiskernöl». Das Gesetz der überflüssigen Informationsüberschüsse im Internet gilt auch hier, wie an diesem Kommentar zu spüren ist.


Wenn im großen Saal des Schutzhauses Zukunft eine Musikveranstaltung läuft und jeder Platz besetzt ist, kann es zu Engpässen in der Bedienung kommen. Bei solchen Gelegenheiten kann beobachtet werden, wie die angeblich Wien-typische Neigung zum Raunzen in die neuen Medien einsickert, ohne von der Gegenkraft der urbanen Nonchalance, einer zeitgenössischen Indifferenz gegenüber Störfaktoren, gehemmt zu werden: «Kein Kellner weit und breit, der für unseren Tisch zuständig war. Ich sprach eine vorbeiflitzende Kellnerin an, diese meinte sie sei nicht zuständig. Das kennt man ja zur Genüge. Ich glaube, mein ganzes Leben sitze ich am falschen Tisch. Nämlich an dem, wo der Kellner NICHT zuständig ist. Ich starre Richtung Saaleingang und erspähe ihn klopfenden Herzens, fröhlichen Muts und knurrenden Magens. Konzentriert verfolge ich ihn. Er nähert sich, ich winke ihm zu, flugs ist er wieder ab Richtung Küche. Meine Chance hatte ich, denn er war nur mehr fünf Personen weit weg, beim Aufnehmen der Speisen und Getränke. Er kommt wieder. Die Regungen meines Körpers … siehe einige Zeilen vorher. Fehlalarm, diesmal hatten uns jedoch nur mehr zwei Personen getrennt. Beim nächsten Mal gab mir mein rechnerischer Verstand ein, ist es so weit. Er kommt und – er steht vor mir, um meine Wünsche auf seinen Block zu kritzeln. ‚Einmal Fleischknödeln und einmal Bauernschmaus.’ Fleischknödeln sind aus und ich total flexibel: Dann nehme ich das Schnitzel, sage ich. Sagt er: ‚Zum Essen kann ich jetzt nichts mehr aufnehmen, das schafft die Küche nicht mehr vor der Vorstellung’». Worüber es sich raunzen lässt, soll man nicht auch noch in einen Blog schreiben, das sollten wir doch von Wittgenstein gelernt haben.


Das Flair des Schutzhauses nützen viele BallveranstalterInnen. Nirgends ist der Pluralismus der Bälle größer als hier. Die «Linken Tanz», der Ball der Wiener KommunstInnen, haben hier genauso Tradition wie der «Ball der Gewichtheber». Letzterer erinnert an die verflossene Zeit, als das Schutzhaus noch regelmäßig der Austragungsort der Gewichtheber-Meisterschaften war. Die Bühne wäre immer noch stabil genug, um eine regelkonforme Wiederaufnahme der Wettbewerbe zu ermöglichen. Aber da die Herren und Damen StemmerInnen nach dem Stemmen auch gerne duschen wollen und das Recht auf geräumige Umkleidekabinen haben, ziehen sie moderne Kraftsportzentren vor, unbeeindruckt von unserem Ruf nach «Authentizität», dem bei allem fraglosen Charme der Wirtshausgewichtheberei etwas Hinterweltlerisches anhaftet. Nicht um diese ewigen Sucher nach der Wiener Idylle zu befriedigen, sondern eher wohl als Angebot für (latent) voyeuristische männliche Gäste gedacht, hat der Veranstalter, der Gewichtheberverein Argos/Hermann, 2014 eine Frauen-Meisterschaft im Reißen und Stoßen in das Ballgeschehen integriert. Aus der Chronik der vereinseigenen Website: «… danach gehörte die Bühne den Athletinnen, die von den zahlreichen Zuschauern angefeuert wurden, die auch wieder von nah und fern angereist kamen.»


Hinter dem Namen Argos/Hermann verbirgt sich eine geballte Ladung Wiener Sportgeschichte. Der Wiener Athleten Club Hermann wurde 1897 gegründet; Namensgeber ist der legendäre Führer der Germanen, der – wie man uns in der Schule lehrte – im Teutoburger Wald die Römer schlug. In Wahrheit erschlugen Germanen einander, aber das ist eine andere Geschichte. Der andere Verein, der mit Hermann fusionierte, war 1926 gegründet worden, ursprünglich als Geselligkeits-Kraftsportverein «Rigoulot». Charles Rigoulot war in den 1920er Jahren ein Ausnahmesportler: er gewann olympische wie nationale Gewichtheberbewerbe, und nebenbei gewann er Autorennen. Er hatte – aus der Sicht der Austrofaschisten – nur einen Fehler: er war Franzose. Der Verein musste demnach umbenannt werden. Gegen Argos, die antike Stadt der starken Männer, sprach nichts (dass die Nachfolgestadt Argos, heute 22.000 EinwohnerInnen, eine starke Linke hat, konnten die Autoritäten damals noch nicht wissen). Der nächste «Ball der Gewichtheber» findet übrigens am 31. Jänner 2015 statt.

Wer immer nur zu den Bällen ins Schutzhaus kommt, also in der kalten Jahreszeit, weiß wenig vom Wert der Grünoase, von der es rundherum umgeben ist. Die Kleingartenanlage auf der Schmelz, Europas größte Kleingartenanlage innerhalb verbauten Gebiets, macht den Hauptteil dieser Oase aus. Dazu kommen die Sportplätze einer Schule, der Sportuni und des ASKÖ. Es ist die grüne Lunge des statistisch ärmsten Bezirks der Bundeshauptstadt. Recht viel von diesem Grün haben die Menschen, die im 15. Bezirk wohnen, jedoch nicht. Die Sportplätze sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, obwohl es zum Teil gewaltige Zeitfenster gibt, in denen sie nicht benützt werden. Die drei Fußwege, die von der Öffentlichkeit durchgängig benützt werden können, sind zu Orten des Konfliktes geworden. Zwei Tische, die den Flanierenden zur Verfügung standen, wurden amtlicherseits abmontiert, nachdem sich einige angrenzende KleingärtnerInnen über Lärm in den Nachtstunden und liegengebliebenen Müll beschwert hatten. Im Fall einer  weiteren Sitznische warteten die SchrebergärtnerInnen nicht einmal eine Entscheidung im Bezirksamt ab. Sie entfernten sie in Eigenregie. Das kleingarteninterne Wegenetz, immer schon eine halböffentliche Angelegenheit, ist seit kurzem nur noch fünf Monate im Jahr offen.


Die KleingärtnerInnen nützen die Lücken des Wiener Kleingartengesetzes recht geschickt im eigenen Interesse. Die essentiellste Bestimmung lautet, dass zwei Drittel der Fläche gärtnerisch genutzt werden müssen. Eine zahnlose Verordnung, da das Gesetz zahlreiche Ausnahmen vorsieht. Die Folgen sind auf der Schmelz besonders gravierend, da die Parzellen deutlich kleiner sind als in anderen Wiener Kleingartenanlagen. Einer Information der grünen Bezirksfraktion entnehme ich folgendes Rechenbeispiel: Erlaubt sind 35 Quadratmeter Hausfläche, 23,1 Quadratmeter Terrasse, 25 Quadratmeter Swimming Pool und 5 Quadratmeter Nebengebäude. Macht in Summe 88 Quadratmeter, bei einer Gartengröße von 194 Quadratmetern sind das mehr als 45 Prozent der Gartenfläche. Rechnet man die übliche Fläche für Wege, Lichtschächte etc. dazu, ist man sehr schnell über 50% der Gartenfläche. Bei immer mehr neu bebauten Gärten wird der gesetzliche Spielraum komplett ausgenützt. Die Ursprungsregel, die eine Verbauung von mehr als 33,3 % verbot, ist durch die Zusatzbestimmungen unterlaufen. «Eine schleichende Demontage des Grünraums auf der Schmelz ist die Folge», kritisieren die Grünen.

Wenn das private Interesse der Kleingartenfamilien an  einer Beseitigung «eigentumsfeindlicher» Regulierungen und ihr legitimes Ruhebedürfnis  in Konflikt mit dem Wunsch der BezirksbewohnerInnen gerät, an dem wenigen Grün zu partizipieren, ist eine Eskalationsgefahr groß. Das scheint Edith Wildmann, der Sprecherin der Freiraum Initiative Schmelz (FRISCH) sehr bewusst zu sein. Ihre Initiative richtet die Hauptaufmerksamkeit auf Vereinbarungen mit den Sportplatz-Betreibern, die auf eine Teilöffnung hinauslaufen. Zunehmend kann sie auf neue «Kultur» in der Kleingartenpopulation bauen – auf eine neue Generation von KleingärtnerInnen, die ihre Egoismen zurückdrängt und auf einen Ausgleich zwischen den Interessen der «Kleinhäusler» und denen der Mieter der Gründerzeithäuser in der Umgebung achtet. Einen guten Platz, die Köpfe zusammenzustecken und dann ein Bier drauf zu trinken, brauchen sie nicht erst lange suchen.

Robert Sommer


INFO-BOX

Schutzhaus Zukunft:
http://www.schutzhaus-zukunft.at/

FRISCH_Freiraum Initiative Schmelz:
http://www.freiraum-schmelz.at/

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