2. Bezirk, Leopoldstadt
Wir laden Sie ein zu einer StadtFlanerie durch die Leopoldstadt, dem Bezirk auf der „Insel“, zwischen Donau und Donaukanal. Auf dem Gebiet der ehemaligen Donauauen entstanden, ist er mit Prater und Augarten auch heute noch einer der grünsten Bezirke Wiens. Der Bezirk liegt am Wasser, nahe am Stadtzentrum, und vereint die „historische Stadt“ mit moderner Stadterweiterung und zeitgenössischer Architektur. Der 2. Bezirk wird auch „Mazzesinsel“ genannt, weil sich das jüdische Leben Wiens – sowohl in der Vergangenheit, als auch in der Gegenwart – am stärksten in der Leopoldstadt konzentriert. Jüdische Schulen, Vereine, Synagogen, koshere Geschäfte, Restaurants und auch das Straßenbild zeugen von einer lebendigen Szene. Die Leopoldstadt ein sehr urbaner Bezirk, mit Märkten, einer regen Künstlerszene, interessanter Architektur und einer Vielzahl an großen Stadtentwicklungsprojekten. Dadurch ist der Bezirk facettenreich und vital wie kaum ein anderer in Wien, und durch innere Stadterweiterung – z.B. auf den Arealen von Nordbahnhof oder Nordwestbahnhof, wird er in den nächsten Jahrzehnten weiter „wachsen“.
Zur Geschichte im Detail:
Im Zuge der Eingemeindung der Wiener Vororte am 6. März 1850 wurden die Vorstädte Leopoldstadt und Jägerzeile, aber auch Teile von Zwischenbrücken (heute Wien 20), Kaiser-Ebersdorf (heute Wien 11) und der Ort Kaisermühlen (heute Wien 22) zum 2. Wiener Gemeindebezirk "Leopoldstadt" zusammengefasst. 1900 wurde der nordwestliche Bezirksteil als 20. Bezirk "Brigittenau" abgetrennt, 1938 wurde Kaisermühlen an den neuen 22. Bezirk abgetreten.
Von der Inselgruppe zur Vorstadt
Der Ursprung des heutigen 2. Bezirks ist der Untere Werd, eine Inselgruppe der unregulierten Donau gegenüber dem "Roten Turm", der 1300 erstmals erwähnt wurde. 1414 erwarb die Stadt Wien einen Teil dieses Gebietes. Bis 1450 wurde das Gebiet zwischen der heutigen Hollandstraße und der Praterstraße besiedelt, kurz darauf entstanden auch nördlich dieses Gebietes Ansiedlungen. Mitte des 17. Jahrhunderts wurden die Klöster der Barmherzigen Brüder und der Karmeliter im Unteren Werd erbaut.
1625 wurde zwischen der Taborstraße und dem Platz "Auf der Haide" ein Ghetto für die jüdische Bevölkerung eingerichtet. 1669 wurden die Juden aus dem Unteren Werd vertrieben, das Gebiet des ehemaligen Ghettos ging in den Besitz der Stadt Wien über und erhielt 1671 den Namen Leopoldstadt. Die Synagoge wurde abgerissen und an ihrer Stelle die Leopoldskirche errichtet, die 1683 der Türkenbelagerung zum Opfer fiel, 1722-1724 wieder aufgebaut und 1945 abermals zerstört wurde. Die Restaurierung der Kirche wurde erst 1972 beendet.
1650 ließ Kaiser Ferdinand III. den Augarten anlegen. 1677 erwarb Leopold I. das Trautsonsche Lustschloss im Augarten und ließ es zur kaiserlichen Residenz – zur sogenannten "alten" Favorita ausbauen, die nach den Zerstörungen durch die Türkenbelagerung im Jahr 1683 erweitert wieder aufgebaut wurde.
Für das Volk: Augarten und Prater
1775 wurde der Augarten durch Kaiser Joseph II. für die Bevölkerung geöffnet. Seit 1782 fanden hier die sogenannten "Morgenkonzerte" statt, die u.a. von Wolfgang Amadeus Mozart dirigiert wurden und hochkarätiges Publikum anzogen. Unter Joseph II. erlebte der Augarten seine Blütezeit und nahm einen schillernden Platz im gesellschaftlichen und kulturellen Leben Wiens ein, er war Schauplatz von Volksfesten und Bällen, später wurden hier Sommerfeste, Wettläufe und "olympische Spiele" veranstaltet. Nach Mozart wirkten auch Beethoven, Schubert, Strauß, Lanner u.a. als Komponisten oder Kapellmeister bei Konzerten im Augarten. 1897 wurde das Palais aufgestockt und vergrößert.
Im Zweiten Weltkrieg wurden im Augarten die zwei Flaktürme errichtet, der runde Geschützturm und der rechteckige Feuerleitturm. Heute ist der Augarten – Wiens älteste barocke Gartenanlage – stark frequentierter öffentlicher Grünraum für die Bevölkerung des 2. und 20. Bezirks sowie Sitz und Wirkungsbereich vielfältiger Kulturinstitutionen wie Filmarchiv Austria, TBA 21, Bunkerei Augarten, Wiener Sängerknaben, Porzellanmanufaktur Augarten, Filmarchiv Austria u.a. Der Aktionsradius Wien (früher Aktionsradius Augarten) hat durch eine Vielzahl an Openair Festen, Weltmusikreihen, Klassik Picknicks und temporäre Kunstaktionen einen wesentlichen Beitrag zur Aufwertung und Attraktivierung des Augartens während der letzten Jahrzehnte geleistet.
Aufgrund seiner Standortgunst und verbunden mit der kontinuierlichen Aufwertung war der barocke Augarten in den letzten Jahrzehnten immer wieder ein stark umkämpfter Raum. Dies rief gleichzeitig immer mehr Protest- und BewohnerInnen-Initiativen auf den Plan, die „ihren“ Park, der seit 2000 auch unter Denkmalschutz steht, vor weiteren Verbauungen schützen wollen. Beim Projekt „Konzerthalle“ am Augartenspitz haben sich diese Fronten zugespitzt.
Im 18. und 19 Jahrhundert wurde die Leopoldstadt von Überschwemmungen heimgesucht. Im Vormärz entstanden hier einige Vergnügungsetablissements, u.a. der "Sperl", das Odeon und das Leopoldstädter Theater. Der Prater, ein bereits 1403 urkundlich (als "Pratter"; lat. pratum = Wiese) erwähntes Gebiet in den Donauauen, wurde von Kaiser Maximilian II 1506 samt den umliegenden Auen erworben und als kaiserliches Jagdgebiet genutzt. Um 1569 siedelte Maximilian II seine Hofjäger in der sogenannten Venediger Au (der heutigen Praterstraße) an. Schnell setzte sich der Name "Jägerzeile" für die Siedlung durch, die Bezeichnung "Venediger Au" verschwand. Erst 1630-1647 erfolgte die Verbauung der restlichen Au.
Nachdem Josef II. den Prater am 7. April 1766 der Bevölkerung zugänglich gemacht hatte, wurde die Jägerzeile eine der vornehmsten Gegenden rund um Wien. Im 19. Jahrhundert erhielt die Jägerzeile schließlich den Namen Praterstraße. 1872 wurde am Ende der Praterstraße der "Praterstern" angelegt, in den sieben Straßen sternförmig einmündeten. In der Nähe des Pratersterns entwickelte sich das Vergnügungsviertel des Wurstelpraters, das sich vor allem im 19. Jahrhundert größter Beliebtheit erfreute. 1873 wurde im Prater eine Weltausstellung abgehalten. Dazu wurde ein großes Gelände mit Ausstellungshallen angelegt, in dessen Zentrum die Rotunde (1937 abgebrannt) stand. Heute befindet sich hier das Messegelände.
Neben dem Praterstern lag der 1837/38 im Stil des früheren Historismus erbaute Nordbahnhof, der 1944/45 durch Bomben zerstört wurde. Die Verkehrsstrecken der aufgelassenen Nordbahn im Umkreis der Stadt Wien wurden zum Teil von der heutigen Schnellbahn übernommen, der Praterstern wurde 1954/55 verkehrstechnisch völlig neu gestaltet.
Die Mazzesinsel
Um den Nordbahnhof kam es im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zu einem verstärkten Zuzug von Juden aus den Ostgebieten der Monarchie, wodurch die Leopoldstadt den Beinamen "Mazzesinsel" bekam. Die jüdischen Zuwanderer lebten zum Teil unter unvorstellbar ärmlichen Bedingungen. Nach 1938 versuchte das NS-Regime, die Leopoldstadt wieder zum Ghetto zu machen, indem es Juden aus allen Teilen Wiens in diesem Bezirk zusammenpferchte. Wöchentlich wurden etwa 1000 Juden in Konzentrationslager abtransportiert. 1938 lebten in der Leopoldstadt etwa 50.000 Juden, 1945 waren es nur noch etwa 500. Erfreulicherweise hat sich das jüdische Leben im 2. Bezirk in den letzten Jahren wieder sehr lebendig entwickelt, im Karmeliterviertel, rund um das Lauder Chabad Zentrum nördlich des Augartens, sowie im Prater rund um das neuangelegte Hakoah Sport- und Freizeitzentrum.